Geheimrezeptzum Glücklichsein
Im März haben wir alle danach gelechzt, haben jedes kleinste bisschen Grün für den Startschuss gehalten, den Beginn: den Frühling. Im April waren wir schon bei 30 Grad, Frühsommer, huch, puh, und im Mai war es so heißt wie seit fast 130 Jahren nicht. Ist das noch Frühling? Ich finde, ja. Der Himmel ist noch blass, die Felder sind noch frischgrün, nicht gelbgoldgrün, die Tomaten wachsen noch. Frühling, ach, Frühling, ich mag ihn nicht nur wegen des Umlauts so gern. Fräulein und Frühling, die sind so (verkreuzte Finger), die sind echt eng.
Zwei Punkte, die kitzeln
Ach, diese Erleichterung. Es ist ein kollektives Durchatmen von Natur, Tier und Mensch. Aufatmen, einatmen, durchatmen, ausatmen. Endlich. Es wird wärmer, grüner, schöner, alles mit Umlaut, alles so schön. Wissen Sie noch, dieser erste Tag mit Sonne ohne Jacke? Als alle draußen waren, wirklich alle, sogar die ersten Blüten, und das war so herrlich, dass jeder lächelte, grinste, lachte, sogar, doch doch, die Tierchen im Gras. Käfer und Grashüpfer, schon wieder Umlaute, ich glaube ja, alles, was einen Umlaut trägt, ist besonders hübsch. Da, schon wieder, hübsch. Vielleicht kitzeln diese zwei Pünktlein ein bisschen an der Nase, bestimmt schmunzeln deshalb alle im Frühling.
Sommer hat ein großes ooooh, ein rundes, wie die pralle Sonne, alles ist groß und ausladend, die Temperaturen sind besonders hoooch. Im Herbst steckt dieses st, fast ein pst, das leise Flüstern des herannahenden Dunkels und der Kälte, es wird herb draußen, aber eben auch herrlich bunt. Winter mit dem t, hart, kalt, da knackt das Holz, es ist frisch und eisig, die Welt glitzert und friert.
Frühling aber, Frühling ist dieses üüüh, das Hüpfen, diese überschwängliche Freude. Eigentlich seltsam, dass es nicht Fräude geschrieben wird. Und das Froschqäken dazu, das ist kein Quaken, das hört sich nach ä an, und jedes abendliche Froschkonzert wird von mir gefeiert und mit Klatschen bedacht. Vögel und Blüten (Rapsblüten, Kirschblüten, Apfelblüten, alle Blüten), Löwenzahn, Bäume, Grün, noch eine ganze Weile ginge das so weiter. In dieser schönsten Zeit explodieren Natur und Vokale, lassen wir sie, genießen wir das. Diese Pünktchen, sie sind wie Schirmchen auf dem Eis, das erste Eis des Jahres, vielleicht noch zu kalt dafür, aber wir können nicht mehr warten. Wir werden herausgekitzelt, und dann, dann ist es soweit.
Wiesenwarm genug
Dann ist es warm genug zum Indiewieselegen. Überall Pusteblumen, einfach überall, die Welt scheint überhaupt nur noch aus Pusteblumen zu bestehen, und wenn wir pusten, dann sagt uns das, wie viel Uhr es ist, nicht wahr? Dazwischen Butterblumen, Wicken, Winden, Gräser aller Art, mein Tutmirleid für die Pollengeplagten, aber für mich sieht das Paradies genau so aus, es fühlt sich genau so an wie eine Frühlingswiese mit Pusteblumen, Hintergrundmusik Vogelgezwitscher, über mir eine Wolken, fast möchte ich Wölkchen schreiben, des Umlauts wegen, und weil das da über uns den Himmel nicht etwa trübt, sondern nur noch wunderbarer macht.
Margeriten, stolz und schön, an manchen Flecken, erhaben, nicht so spielerisch leicht wie die Pustekollegen. Noch dramatischer: der Klatschmohn, Applaus für jeden Auftritt, diese Diven, so zart und zerbrechlich und doch so atemberaubend, dass man nicht wegschauen kann. Schauen Sie fünf Minuten lang intensiv eine Mohnblüte an, wenn leichter Wind sie tanzen lässt, die Blätter faltet, sie streichelt, das ist fast schon FSK 18.
Ich gebe die Wiese wieder frei, wo ich gelegen bin, sind die Gräser platt, ’tschuldigung, aber ich weiß ja, ihr seid jung und stark, ihr biegt das wieder hin. Auf mein Rad steige ich, das Herz voll, die Kamera auch, die Haare mit Pusteblumensamen, das Shirt mit Minigetier. All das nehme ich mit, weil man den Frühling nicht festhalten kann, obwohl man so gerne mag, ihn in Gläser füllen, aus den Träumen des Frühlings wird im Herbst Marmelade gemacht. Oder eben schon jetzt, weil die Erdbeeren nicht warten, und Erdbeermarmelade, so frischrot, ist das Allerbeste. Marmeladebrot von Omi, danach in den Park zu den Enten, mit Butterkeksen, auch das war Frühling, früher.
Wie mich eine Pflanze zu Tränen rührt
Am Flieder anhalten, immer, am liebsten an jedem Fliederbusch, am allerliebsten am weißen, weil der am schönsten ist, und an jeder einzelnen Blüte riechen. So könnte ich den Frühling verbringen. Ich verrate Ihnen was: Flieder finde ich so fantastisch, dass er mich jedes Jahr ein bisschen weinen lässt vor Glück. Ehrlich. Ich halte Schönheit und Herrlichkeit des Flieders fast nicht aus, aber nur fast, und so halte ich an jedem Fliederbusch. Das ist wie später mit dem Holunder, ich glaube, der übernimmt das vom Flieder, dieses immense intensive Duften, das mich um den Verstand bringt. Bitte mehr davon. Und über Magnolien haben wir noch gar nicht gesprochen, weil Magnolienblüten jenseits aller Worte sind.
Vielleicht ist es auch die Vergänglichkeit, die drin steckt im Frühling. Dass Magnolien nur gefühlt Minuten blühen, dass der Flieder so schnell verduftet, dass für den Spargel am 24. Juni Schluss ist. Dass das Grün dunkler wird, dass die Ähren reifen, dass das ungläubige Lächeln aus den Gesichtern verschwindet, dass das Staunen aufhört. Sicher, Melonen und kurze Kleider sind auch toll, mit ooh, sicher, ich liebe Nebelherbstmorgen, sicher. Aber dieser Frühling, der kommt eben nicht wieder. Es war wie immer, wie jedes Jahr, der schönste.

Mehr lächeln:
Lachen musste ich über den Vogel, der unterm Dach sein Nest baute, aber immer die Ladung verlor.
Finden Sie nicht auch, dass Pusteblume eines der schönsten Wörter ist? Wie Glühwürmchen, und da sind sogar zwei Umlaute drin.
Vor allem grün ist er, der Frühling, weil … Sie wissen schon, Umlaut … aber er ist auch gelb, das Gelb der Rapsfelder und Löwenzähne und der blütenverstaubten Autos, ja ja.
Noch in dieser Ausgabe:
Warme süße lockere luftige Liebe in No. 4
Fundbüro Ausgabe 04/2018 ist ganz GEERDET, nascht Erdbeeren, lässt es auf die Erde regnen und hat noch Erde an den Ecken.
Frisch aus der Erde
Die zart lila Köpfe sind vom Spargel das Beste. Nicht nur königliche Stangen schießen just aus der Erde, nicht nur Köpfe schmecken jetzt. Riesige Mengen Erdbeeren, Rhabarber, Holunder wandern in jeglicher Form in den Bauch.
23 Tipps für den schönsten Regentag auf Erden
Den Spruch über schlechtes Wetter und schlechte Kleidung kennen Sie vermutlich. Aber haben Sie schon mal getestet, was da wirklich dran ist? Ein Regentag.
Geerdete Klänge
Ganz geerdet klingt es heute hier, mit Musik zum Niederknien oder eben gleich ganz Hinlegen. Nichts tun, nur sein und hören. Lauschen Sie, wie die Erde in Klaviertasten fließt …
Zum Schluss staubgewischt 04.2018
Haben Sie schon genug von Feinem aus, von, auf der Erde? Falls nein: Hier kommen erdbeerige und torffreie und dekorierende und erdähnliche und plastikfreie Kleinigkeiten und weniger kleine Wichtigkeiten.