Großes Los und kleine Beichte
Reden wir nicht lange drum herum: Ich reise nicht gern. Es fällt mir schwer, an Orten zu sein, an denen ich die Sprache nicht beherrsche und oder die mich auf andere Weise überfordern. Es kostet mich sehr viel Überwindung, auch wenn ich danach bis zum Rand vollgefüllt mit unvergesslichen Erlebnissen nach Hause komme. Diese meine wohl mit unpopulärste Eigenschaft teile ich mich sehr wenigen Menschen, bisher. (Gleichgesinnte: Finger hoch! Das würde mich beruhigen.)
Meine Fernreiseerfahrungen beschränken sich auf die Färöer Inseln (zum Fußball), Großbritannien (zum Sprachelernen), Teneriffa (zum Serpentinenüberleben), Schweden (zum Elchesuchen) und einige andere Destinationen, nichts wirklich Exotisches und kaum etwas, wo mich Englisch nicht weitergebracht hätte.
Mein Wohlgefühl stellt sich ein, wenn ich weiß, dass ich in bekannten Gefilden (Beispiel: im Norden am Deich) draußen herumwildern kann, dass mir ein landeserfahrener Mensch zur Seite steht oder dass ich schlicht nicht sprechen muss – dann darf’s auch ein sehr fremder, weit entfernter Wald sein. Tja, und dann wagte ich im Februar große „LOS!“ und ließ mich entführen. Wohin? Verrate ich gleich.
Die 500.000-Euro-Frage
Dadadadah. Dramatische Musik bei Herrn Jauch. Was würden Sie mit einer halben Million tun? Ich weiß jedenfalls, was ich nicht tun würde. Eine Reise stünde sehr sicher nicht ganz oben auf meiner Liste. (Eine stünde aber doch drauf, weiter unten, ein Islandbesuch nämlich; das aber nur am Rande.) Bücher dagegen würden mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit einige dieser vielen Euros verschlingen. Zum Beispiel das von Meike Winnemuth. Auch für sie wurde das „Dadadadah“ gespielt. „Was würden Sie mit so viel Geld tun?“
Es folgten großer Jubel und die Erkenntnis: Kann losgehen. Im großen Stil. Denn Winnemuths Antwort auf die Jauch’sche Standardfrage lautete „ein Jahr raus aus Deutschland“. Sprach’s und packte den Koffer.

Trost in der Teekanne
Wie es der Journalistin aus Hamburg während ihrer zwölf Monate in zwölf Städten erging, erzählt sie auf unnachahmliche Art in ihrem Buch „Das große Los“. Ist schon einige Jahre her, ausgestrahlt wurde die Wer-wird-Millionär-Folge am 11. Oktober 2010, los ging’s am 1. Januar 2011, per Blog begleitet. Für mich aber startete das Abenteuer im Februar 2018, und es nahm mich gefangen. Die Halbmillionärin nahm mich mit nach
Sydney
Buenos Aires
Mumbai
Shanghai
Honolulu
San Francisco
London
Kopenhagen
Barcelona
Tel Aviv
Addis Abeba
Havanna
und Hamburg
und ich war schon in Sydney hoffnungslos verloren. Oder besser: mein Herz war’s. Verloren an den Schreibstil von Frau Winnemuth, an ihre Offenheit, Schonungslosigkeit, an ihre blaue Reisegarderobe (und im Nachgang auch ans blaue Kleid) und an – ihre Teekanne. Die kam erst an Station Zwei hinzu, in Buenos Aires, durfte dann aber quer über den Globus mit ihr reisen.
Wie sie das beschreibt, die Teekanne und dieses kleine Gefühl von Heimat, Trost und Wärme, das allein lohnt die Lektüre. Deshalb der Lesetipp heute: „Das große Los“. Lesen Sie es. Es ist sehr gut.
Mehr lesen & sehen:
Meike Winnemuth im Gespräch bei SWR1 Leute
Disclaimer: Ich habe das Buch selbst gekauft und bekomme nichts für die Vorstellung. Leider bisher nicht einmal eine Antwort von Frau Winnemuth, der ich in meiner halt- und hilflosen Begeisterung direkt nach Beendigung der letzten Seite und dem Zuschlagen des Buchs meine Begeisterung per Mail schickte. Schade.
Noch in dieser Ausgabe:
Auf ein Heißgetränk in Ausgabe No. 2
Im Gespräch mit einer Tee-Sommelière, auf ein Lied mit Thees und mehr: Das wartet in Fräuleins Fundbüro No. Zwo.
Warum Schwarztrinker (meistens) helle Köpfe sind
Fräulein trinkt schwarz. Was man mir im Übrigen oft nicht glaubt. Warum eigentlich? Die Reaktionen auf „Wollen Sie einen Kaffee?“ „Ja gern.“ „Was für…
Fräulein fragt: eine Teekennerin
Mit „Fräulein fragt“ fange ich eine kleine, unregelmäßige Interviewreihe an. Heute mit Denia Henkel, Tee-Sommelière.
Sieben Wochen ohne Süßkram
Wie ich das erste Mal in meinem Leben fast zwei Monate faste – unabsichtlich und aus Versehen
Verpasst ’nen Satz heiße Ohren
Die heißen Ohren gibt es, im übertragenen Sinn, heute mit Fräuleins Hörtipps.
Zum Schluss staubgewischt 02.2018
Wischen wir noch schnell durch die Regale, setzen eine frische Tasse Tee oder Kaffee auf und genießen ein paar feine Kleinigkeiten.
Hier! Also, ich reise eigentlich schon gerne, aber: ich reise nicht gerne kompliziert und ich bin auch nicht gerne in Ländern, in denen ich mich nicht gut verständigen kann. Deshalb mache ich auch nicht so gerne in Frankreich Urlaub, auch wenn man dort mit Englisch viel besser auskommt, als einige Menschen immer wieder behaupten: Manchmal stecke ich dort aber doch in einer sprachlichen Sackgasse.
Der Weg zum Urlaubsort sollte für mich auch nicht zu kompliziert sein. Ich möchte nicht viel kommunizieren müssen, schon gar nicht in fremden Sprachen, was an langen stressigen Anreisetagen übrigens Englisch mit einschließt. Deshalb mache ich auch keine weiten Flugreisen, auch wenn mich das eine oder andere weit entfernte Land schon sehr interessieren würde.
Was ich aber richtig gerne mache, ist: gute Reiseberichte lesen. Oben erwähntes Buch steht schon einige Jahre in meinem Regal, das gehört definitiv dazu.
Ach ja, ich kann Dich so gut verstehen, vor allem auch bei der Anreise. Ich erinnere mich noch gut an eine (geschäftliche) Reise in den tiefsten Süden Frankreichs, mit Umsteigen (und Kürzestzeitfenster) in Paris Orly. Die Hölle, und damals (2003) war Englisch definitiv keine Lösung, nicht mal am Flughafen. o.O Mit dem Taxi dann ins französische Outback, aus den HINTERSTEN Hirnregionen hatte ich da meine letzten Französischfetzen hervorgeholt, puh. Wahnsinnig anstrengend. Das mit den Reiseberichten – vielleicht sollte ich davon noch mehr lesen. Danke für die Anregung.